Glockenguss der Seulinger Glocken
Die Seulinger Kirche erhält drei neue Bronzeglocken. In der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe erlebt eine 50-köpfige Abordnung des Ortes am Freitag den 20.10.2017 hautnah mit, wie die Glocken gegossen werden.
Kurz nach 6 Uhr startet die Gruppe mit einem Bus der Eichsfeld Werke auf Ihre siebenstündige Fahrt. Natürlich gibt es unterwegs ein reichaltiges Eichsfelder Frühstück , das als Mitbringbuffet organisiert wird. Schon auf der Fahrt stimmt sich die Gruppe mit dem „Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller, von dem jeder Teilnehmer einen Abschnitt vorliest, sowie dem Lied „Seulinger Glockentraum“ von Burckhard „Charly“ Faulhaber ein.
An dem Tag werden für 4 Kirchengemeinden sieben Glocken gegossen. Von allen Gemeinden haben sich insgesamt etwa 100 Besucher in Karlsruhe eingefunden und warten gespannt auf den Glockenguss. Bevor der Guss aber beginnt, erhalten alle Besucher eine Menge Informationen. Dazu werden die Besucher in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils im Wechsel drei Stationen durchlaufen und so zu „Glockenexperten“ werden. So wird ein Film über die Entstehung und den Guss der Karlsruher „Friedensglocke“ gezeigt; zum Thema „Glocken? und „Glockenklang? referiert Christiane Bachert fachkompetent und unterhaltend. Höhepunkt ist die Besichtigung der Gießerei vor dem eigentlichen Guss. Die Luft ist dabei heiß und stickig. Nur wenig Licht dringt durch die trüben Oberlichter in der Hallendecke. Neben einer randvoll mit Erde zugeschütteten Grube, in der die Glockenformen eingelassen sind, bullert unablässig ein Ofen. Dabei wird dichter Qualm und glühende Asche durch einen großen Kaminabzug ausgestoßen. Hier wird seit fünf Uhr das für den Glockenguss verwendete Kupfer (78%) und Zinn (22%), auf 1100 Grad erhitzt und somit geschmolzen. Etwas Hektik kommt auf, wenn die Bronze umgerührt wird. Der Ofen wird dazu abgeschaltet und ein dicker Buchenbalken in den geöffneten Ofen eingeführt. Ohne das Brummen und Rauschen des Ofens kann man das Blubbern der Bronze und das Brennen des Balkens genau hören. Akribisch achtet der Chef der Glockengießerei Albert Bachert darauf, dass in direkter Linie vor der Ofentür keine Besucher stehen. Zu groß ist die Gefahr, dass herausspritzende Bronze jemanden trifft und schwer verletzt.
Die Basis bei der Herstellung einer Glock bildet die Rippe, eine Schablone der Glocke. Mit ihrer Hilfe wurde über einem gemauerten Sockel die Form aus Lehm modelliert. Diese besteht aus drei Schichten: dem Glockenkern, der falschen Glocke und dem Mantel. Die sogenannte falsche Glocke wird vor dem Guss entfernt – um den zurückbleibenden Hohlraum mit Bronze auszugießen.
Kurz nach 15:00 Uhr hat die Bronze die richtige Temperatur erreicht und es wird von Pfarrer Micheal Kreye ein Segensgebet für das Gelingen des Glockengusses gebetet. Mit wuchtigen Schlägen wird der Zapfen, der den Schmelzofen verschließt, entfernt. Plötzlich ergießt sich ein glühender orangefarbener Schwall – die Glockenspeise – in die offenen gemauerten Backsteinrinnen. Wie ein Lava-Strom läuft die Bronze in die Öffnung der ersten Form. Unter lautem Gurgeln, Schmatzen und Zischen verschwindet sie in der Erde. Flammen fangen an aus den Eingangslöchern der tief eingegrabenen Glockenformen zu schlagen. Beißender, nach Metall schmeckender Rauch steigt auf. Die Temperatur wird für die Mitarbeiter der Firma Bachert in ihren bodenlangen silberfarbenen Hitzeschutzmänteln beinahe unerträglich. Und auch die Besucher schwitzen ordentlich. Nach wenigen Minuten schlägt eine Flamme aus dem Inneren der Form, Bronze blubbert und spritzt etwas heraus. Daran erkennen die Glockengießer, dass die Glockenform voll ist und der nächste Kanal wird geöffnet.
Christiane Bachert liest parallel den andächtig staunenden Besuchern vor, für welche Gemeinde die gerade entstehende Glocke gegossen wird, in welchem Ton sie erklingen wird, wie schwer sie sein wird, welchem Heiligen sie geweiht wird und wie die jeweiligen Aufschriften lauten.
Nach dem Guss der letzten Glocke wendet sich Herr Bachert an die Anwesenden. Er vermeldet, dass der Glockenguss, was man bisher sagen könne, geklappt habe. Weiter weist er darauf hin, dass dies, nach fünfzehn Jahren in Karlsruhe, der letzte Glockenguss an diesem Standort gewesen sei. Die Firma zieht in die Nähe von Mosbach im Odenwald. Es werden noch Fürbitten verlesen und die Anwesenden singen gemeinsam „Großer Gott wir loben dich“. Die Seulinger Gruppe lässt es sich nicht nehmen, auch noch das „Eichsfeld Lied“ zu singen. Etwa zwei Wochen müssen die Formen jetzt auskühlen. Dann zeigt sich, ob die Glocken auch den erhofften Klang haben.
Es war eine tief beeindruckende Zeremonie, die vor und nach dem Glockenguss allen Teilnehmern aufzeigte, dass man einem solchen Ereignis wohl nur einmal in seinem Leben beiwohnen kann. Den nächsten Tag verbrachten die Mitreisenden in der Stadt Speyer.
Die drei neuen Bronzeglocken für Seulingen werden am 10. Mai 2018 geweiht. Am 23. Juni 2018 werden die Glocken in der Vorabendmesse zum Patrozinium des heiligen Johannes – dem Tag, an dem die Kirche der Schutzherrschaft ihres Patrons unterstellt worden ist – erstmals erklingen.